Sie haben es schon wieder getan. Ein Rückstand ist für die Washington Capitals in dieser Saison offenbar kein Problem. Beim 5:4-Heimsieg nach Verlängerung am Freitagabend (Ortszeit) gegen die New York Islanders drehten sie bereits zum neunten Mal in dieser Saison ein Spiel, was sie zu den unangefochtenen Comeback-Königen in der NHL macht. Eine Hilfe dabei ist das Überzahlspiel. Damit durfte man nicht unbedingt rechnen, fehlt den Capitals doch mit Alex Ovechkin (Wadenbeinbruch) der Scharfschütze und Top-Torjäger.

Der Trainer der Washington Capitals war bei der Pressekonferenz nach dem Heimspiel gegen die New York Islanders hin- und hergerissen. Die Mannschaft von Spencer Carbery hatte gerade den dritten Sieg in Folge eingefahren. Wie schon in der Partie zuvor bei den Tampa Bay Lightning hatte sie dabei eine längst verloren geglaubte Partie mit einem Kraftakt noch in einen Sieg verwandelt. „Ich weiß die Unverwüstlichkeit und den Charakter in der Mannschaft wirklich zu schätzen. Aber ich mag es nicht, dass wir uns immer wieder in solche Situationen bringen“, sagte der Coach. Im Klartext: Er würde es wirklich gerne sehen, wenn sein Team mal früher in Führung gehen und diese dann auch ins Ziel bringen würde.

Solides erstes Drittel

Aber das Drehbuch hatte für das Heimspiel gegen die von Patrick Roy trainierten Islanders mal wieder etwas anderes vorgesehen. „Im ersten Drittel haben wir solide gespielt. Im zweiten haben wir uns dann selbst ein Loch gegraben“, befand Carbery. Das solide erste Drittel beendeten die Capitals sogar mit einer 2:1-Führung im Rücken. Simon Holmstrom (4.), der für den verletzten Jean-Gabriel Pageau (Unterkörper) ins Team gerutscht war, hatte die Gäste zwar früh mit einem platzierten Handgelenksschuss in Front gebracht. Die Gastgeber hatten dank Nic Dowd (5.) aber die passende Antwort. Und als Tom Wilson in Überzahl sogar das 2:1 gelang (13.), hatten wohl viele Fans der Gastgeber die Hoffnung, dass es die Capitals diesmal nicht so spannend machen würden.

Doch der Mittelabschnitt gehörte komplett den Gästen aus Long Island. Erst sorgte Anders Lee für das 2:2 (22.), als er einen Schuss von Noah Dobson unhaltbar für Logan Thompson (20 Saves) im Capitals-Tor abfälschte. Kyle MacLean mit seinem ersten Saisontor (37.) und erneut Holmstrom (39.) nährten bei den Islanders die Hoffnung, dass für sie ein Sieg in der US-Hauptstadt drin ist. „Im zweiten Drittel haben wir nicht so gespielt, wie wir das wollten. Wir sind dann aber im dritten Drittel zurückgekommen und haben das repariert. Die Mannschaft hat eine gute Antwort gegeben“, sagte Wilson. Nach dem zweiten Drittel sei jeder in die Kabine gekommen und habe gewusst, „dass wir besser spielen müssen“.

Schlussdrittel gehört den Capitals

Das taten die Gastgeber dann auch. Im Schlussdrittel drehten die Capitals auf. „Man konnte es auf der Bank spüren, dass ein Ruck durch die Mannschaft gegangen ist“, beschrieb Carbery den Moment, der das Comeback einläutete. Dylan Strome überwand Semyon Varlamov (21 Saves) im Tor der Islanders zum 3:4. Dieser Überzahltreffer in der 42. Minute läutete ein laut Carbery sehr gutes Drittel der Capitals ein, auch wenn er im gleichen Atemzug eingestand, dass seine Mannschaft über die Partie hinweg einige schlechte Entscheidungen getroffen habe.

Apropos Überzahlspiel: Hier scheinen die Capitals den Verlust von Ovechkin gut auffangen zu können. Der Russe fehlt seit 18. November verletzt. Doch in den vergangenen vier Spielen haben die Capitals in jedem Spiel in Überzahl getroffen. Gegen die Islanders standen am Ende sogar zwei Powerplaytore auf dem Spielberichtsbogen. In der ligaweiten Statistik schlägt sich das allerdings noch nicht ganz nieder. Da liegen die Capitals mit einer Erfolgsquote von 20 Prozent gerade mal im Mittelfeld der Tabelle.

Eine gute Entscheidung von Carbery ist es aber derzeit, Wilson aufs Eis zu schicken. Der sonst eher als Raubein bekannte Kanadier sorgt in dieser Phase der Saison mit seinen Treffern dafür, dass der Ausfall von Ovechkin kompensiert werden kann. Sein 4:4 (48.) stand am Ende einer schönen Kombination, bei der die Capitals demonstrierten, dass sie es verstehen, die Scheibe gut laufen zu lassen. „Das ist nicht ideal. Normalerweise ist es in dieser Liga einfacher, mit einer Führung im Rücken zu spielen“, meinte der Doppeltorschütze der Capitals. Diese Leistung sage viel über die Gruppe aus. Aus den Rückständen wolle man keine Gewohnheit machen. „Aber im dritten Drittel zurückzukommen, ist immer ein Spaß“, bekannte Wilson.

Chychrun entscheidet die Partie

Noch mehr Spaß hatten die Capitals und die Fans in der Capital One Arena dann in der Verlängerung. Vor allem, als sich Jakob Chychrun, der im Sommer aus Ottawa nach Washington gekommen war, den Puck schnappte, unbedrängt die gegnerische blaue Linie überqueren durfte, abzog und Varlamov mit einem platzierten Schuss zum 5:4 überwand. Die Capitals haben damit zum zweiten Mal in dieser Saison einen Sieg nach einem Rückstand von mindestens zwei Toren geholt. Das ist in der NHL immerhin Platz drei, hinter den Vegas Golden Knights (vier) und den Seattle Kraken (drei).

NYI@WSH: Chychrun versenkt einen Schlagschuss zum 5:4-OT-Sieg

„Ich hatte viel Platz, habe versucht, Geschwindigkeit aufzunehmen und hatte freie Sicht“, beschrieb der Siegtorschütze die Szene. Es war Chychruns siebtes Saisontor. Er ist damit einer von fünf Verteidigern in den vergangenen 30 Jahren, die in ihrer ersten Saison mit den Capitals sieben Tore oder mehr geschossen haben. Erik Gustafsson (sieben in der Saison 2022/2023), Bryan Muir (acht in der Saison 2005/2006), Jamie Heward (sieben in der Saison 2005/2006) und Phil Housley (elf in der Saison 1996/1997) schafften dies ebenfalls. Chychrun und Strome haben beide sechs Scorerpunkte (2-4-6) damit in den vergangenen drei Spielen auch jeweils immer mindestens einen Punkt gesammelt.

Die Washington Capitals sind bereits am Samstag (Ortszeit) wieder im Einsatz. Dann stehen nicht nur die beiden persönlichen Serien von Chychrun und Strome auf dem Prüfstand. Die Capitals haben die vergangenen sechs Auswärtsspiele gewonnen und wollen dies gerne auch im Spitzenspiel der Metropolitan Division bei den New Jersey Devils fortsetzen. Gerne auch mal ohne Rückstand, wenn es nach dem Trainer geht.

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