Nico Sturm 5.31.22

Nur noch eine erfolgreiche Serie trennen Nico Sturm und die Colorado Avalanche vom Finale um den Stanley Cup. Mit den Edmonton Oilers wartet im Western Conference Finale allerdings ein schwerer Gegner. Spiel 1 findet am heutigen Dienstag statt (8:00 p.m. ET; NHL.tv; Mi. 2:00 Uhr MESZ). Sturm spricht im exklusiven Interview mit NHL.com/de über das deutsche Duell mit Leon Draisaitl, seine Eindrücke von Nathan McKinnon und über seine eigene Zukunft.

Hallo Nico, Colorado steht nun erstmals seit 20 Jahren wieder in einem Conference Finale. Was bedeutet dieser Erfolg für das Team und das Umfeld?
Die Euphorie ist natürlich vorhanden. Über die Vergangenheit kann ich nicht so viel sagen, weil ich noch nicht so lange hier dem Team angehöre. Das ist bei Spielern wie Gabriel Landeskog oder Nathan MacKinnon natürlich anders, weil die schon seit vielen Jahren hier sind. Für diese Spieler hat das sicherlich noch einen höheren Stellenwert. Aber auch für mich ist das eine riesige Sache, jetzt unter den letzten vier Mannschaften zu stehen.
Gegen die Nashville Predators habt Ihr alle vier Spiele gewonnen, gegen St. Louis konntet ihr Euch mit 4:2 durchsetzen. Wie beurteilst Du diese beiden Serien rückblickend?
Je weiter man vorrückt, desto schwieriger wird es. Wenn man von der Runde mit den besten 16 Mannschaften in die Runde mit den besten acht Mannschaften gelangt, wird es eben schwieriger. Ich glaube, gegen Nashville war von Anfang an zu merken, dass wir die bessere Mannschaft waren. Das erste Spiel war bereits nach dem ersten Drittel entschieden, weil wir mit 5:0 führten. Wenn man so in eine Serie einsteigt, wirkt das natürlich nach.
St. Louis ist eine Mannschaft, die vor nicht allzu langer Zeit noch selber den Stanley Cup gewann. Viele Spieler von damals befinden sich heute noch im Kader. Wir haben bereits vor dem ersten Spiel gesagt, dass wir eine lange und schwere Serie erwarten. So war es dann auch. Das wird jetzt nicht anders werden.

Nico Sturm vs Blues

Also im Western Conference Finale gegen die Edmonton Oilers…
Die besten vier Mannschaften der Liga sind noch dabei. Daher ist zu erwarten, dass die Serien sehr eng werden.
Nachdem Du gegen Nashville alle vier Spiele bestritten hast, kamst Du in den letzten vier Spielen gegen St. Louis nicht mehr zum Einsatz. Wie zuversichtlich bist Du, gegen Edmonton wieder Eiszeit zu bekommen?
Ich erwarte nicht, dass ich anfange. Schließlich hat die Mannschaft das letzte Spiel gewonnen. Aber ich bin mir sicher, dass ich in die Serie immer wieder einsteigen darf. Wir haben einen tiefen Kader. Das ist vergleichbar mit Bayern München oder Borussia Dortmund in der Fußball-Bundesliga. Colorado ist eine absolute Top-Mannschaft.
Aber…?
Aber natürlich ist es schade, wenn man die ersten fünf Spiele in den Playoffs gewinnt, dann einmal verliert und aufgrund einer Umstellung nicht mehr dabei ist. Aber ich bereite mich immer so vor, als würde ich spielen. Ich hatte dadurch auch die Zeit, meine Verletzungen ein bisschen auszukurieren. Und wenn ich meine Chance bekomme, werde ich alles tun, damit wir das Spiel gewinnen. Ich bin überhaupt nicht negativ eingestellt. Ich bin einfach stolz, ein Teil des Ganzen hier zu sein und die Chance zu haben, der Mannschaft dabei zu helfen, den Stanley Cup zu gewinnen. Wie mein Name am Ende auf das Ding kommt, ist mir ziemlich egal. Irgendwann fragt keiner mehr, wie viele Spieler oder Tore man gemacht hat.
Aus deutscher Sicht ist die Serie zwischen Colorado und Edmonton natürlich auch das Aufeinandertreffen der beiden deutschen Spieler Nico Sturm und Leon Draisaitl. Wie schätzt du Leon momentan ein?
Leon ist einer der besten Spieler der Welt. Es ist unglaublich, wenn man auf die Spielberichte der Oilers schaut und jedes Mal drei- oder viermal Leon draufsteht. Als Deutscher kann man stolz sein, so einen Spieler zu haben. Draisaitl und Connor McDavid sind eine andere Welt. Das wird sicherlich einer der Schlüssel in der Serie sein. Wir müssen die beiden irgendwie ausschalten.
Hast Du persönlich gelegentlich Kontakt zu Leon Draisaitl?
Wir haben uns vor einigen Wochen, als wir in der regulären Saison aufeinandertrafen, gesehen und ein bisschen unterhalten. Aber zu dem jetzigen Zeitpunkt der Saison gibt es ohnehin keine Freundschaften mehr. Jeder ist auf die eigene Aufgabe fokussiert.
Ihr habt auch einige Superstars in Eurem Kader. Wie erlebst du Nathan MacKinnon im täglichen Umfang?
Er ist unglaublich fokussiert, sowohl auf dem Eis wie auch außerhalb der Eisfläche. Er erwartet von seinen Mitspielern den gleichen Standard wie von sich selber. Er hat auch kein Problem damit, seine Mannschaftskameraden mal zu kritisieren. Das meint er gar nicht böse. Er hat einfach einen hohen Standard und will gewinnen. Das merkt man auch im Training. Sein Tempo ist sehr hoch. Es macht Spaß, mit solchen Leuten zu trainieren, weil man dadurch auch selber besser wird.

Draisaitl and Sturm

Du bist im März von Minnesota Wild nach Colorado getradet worden. Wie sehr unterscheiden sich die beiden Teams und das Umfeld?
Ich würde sagen, dass die Anforderungen bei der Avalanche noch höher sind. Trotzdem erlebe ich das Umfeld relativ relaxt. In Minnesota hatte ich immer das Gefühl, jeder, der einmal einen Eishockeyschläger in der Hand gehalten hat, war plötzlich General Manager und weiß alles besser. Hier in Colorado haben die Leute gefühlt mehr Vertrauen in das Management und die Spieler. Dadurch kann man hier sehr fokussiert und in Ruhe arbeiten.
In der anderen Serie treffen die Tampa Bay Lightning auf die New York Rangers. Ist Tampa Bay der Favorit auf den Stanley Cup?
Ja, klar. Wenn man zwei Mal in Folge den Stanley Cup gewinnt, ist man auch der Favorit. Zumal sie jetzt einige Tage Pause hatten und mit den Rangers auf ein Team treffen, das frisch aus Spiel 7 gegen die Carolina Hurricanes kommt.
Dein Vertrag endet nach dieser Saison. Wie blickst Du der Zukunft entgegen?
Ich gehe das ganz locker an. Ich habe mir die ganze Saison über Gedanken gemacht, vielleicht zu viele Gedanken. Seit dem Trade sind diese Gedanken völlig weg. Ich trainiere und versuche einfach, Spaß zu haben. Ich bin Teil einer der besten Mannschaften der Welt. Das versuche ich zu genießen. Ich mache mir im Bezug auf meine NHL-Zukunft keine Sorgen. Ich will den Stanley Cup mit der Mannschaft holen. Alles andere klärt sich danach.