Unglaublich, aber wahr: Die Seattle Kraken haben den amtierenden Stanley Cup Champion Colorado Avalanche aus den Playoffs geworfen. In Spiel 7 am Sonntagabend in der Ball Arena in Denver setzte sich Seattle mit 2:1 durch und entschied damit die Serie in der 1. Runde der Stanley Cup Playoffs 2023 mit 4:3 für sich. NHL.com/de analysiert die Gründe für das Aus der Avalanche.

Grubauer stoppt die Avalanche-Offensive

Erstmals überhaupt in der Geschichte der Stanley Cup Playoffs warf ein Expansion-Team den amtierenden Champion aus den Playoffs. Wie konnte das passieren?

Zwei Worte: Philipp Grubauer! Der deutsche Torwart avancierte zum vielarmigen Kraken und Playoff-Monster für Seattle. In sieben Spielen stand der 31-jährige Rosenheimer unter Dauerbeschuss (231 Torschüsse der Avalanche, im Schnitt 33 pro Spiel), hatte eine Fangquote von 92,6 Prozent und trieb Colorado mit teilweise spektakulären Glanzparaden zur Verzweiflung. Alleine in Spiel 2 zeigte Grubauer gegen seinen Ex-Klub 41 Saves. Im alles entscheidenden Spiel 7 wehrte er 33 von 34 Schüssen ab (97,1 Prozent Fangquote).

Doch die Avalanche hatten auch andere Probleme: So geriet Colorado ausnahmslos in allen sieben Partien in Rückstand, weshalb es jedes Mal eine kräfteraubende Aufholjagd starten musste.

Dazu kamen viele Verletzte: Andrew Cogliano (Halswirbelsäulenbruch), Josh Manson, Darren Helm (beide unbekannte Verletzung) und Valeri Nichushkin (private Gründe) fielen in Spiel 7 aus. Kapitän Gabriel Landeskog (Knieverletzung) fehlte nicht nur in den Playoffs, sondern auch in der kompletten regulären Saison. Diese Schlüsselspieler konnten die Avalanche nicht adäquat ersetzen, worunter die Qualität in der Tiefe litt: Während Seattle gleich 15 (!) unterschiedliche Torschützen hatte, waren es bei Colorado nur deren neun. Zu Abhängig waren die Avalanche von den beiden Top-Stürmern Mikko Rantanen (7-3-10, 1,43 Punkte/Spiel) und Nathan MacKinnon (3-4-7, 1,0 Punkte/Spiel), die einzigen zwei Akteure die einen Punkteschnitt mit einer 1 vor dem Komma hatten.

Entsprechend stellten die Avalanche nur die elftbeste Offensive (durchschnittlich 2,71 Tore/Spiel) und brachte auch das zuvor so brandgefährliche Powerplay nicht zum Laufen (11,1 Prozent Erfolgsquote, Rang 15 von 16 Playoff-Teams). Angesichts von 33,3 Torschüssen pro Partie (5.) und 98 Schüssen neben das Ziel (15.) hatte Colorado auch ein Effizienz-Problem. Die körperliche Spielweise der Kraken mit 290 Checks (1.) und 134 Blocks (2.) kombiniert mit einem temporeichen Umschaltspiel gaben Colorado den Rest.

Rantanen: "Es ist sehr, sehr enttäuschend"

"Es ist sehr, sehr enttäuschend, insbesondere aufgrund dessen, wie wir gespielt haben", sagte Colorados Stürmer Mikko Rantanen, der gleichzeitig aber auch keinem seiner Mitspieler einen Vorwurf machen konnte: "Ich habe das Gefühl, dass wir unseren Tank leergespielt haben, so viel steht fest. Wir haben da draußen unser Herz auf dem Eis gelassen und alles gegeben, was wir hatten. Jeder hier kann in den Spiegel schauen und das sagen. Ich bin so stolz auf jeden einzelnen Teamkollegen. Es ist einfach nicht für uns gelaufen. Wir haben besser gespielt als sie, aber manchmal kommt es im Eishockey nicht darauf an. Ihr Torwart hat gut gespielt, und wir haben keinen Weg gefunden, zu treffen. Es ist enttäuschend, die Saison so zu beenden."

SEA@COL, Sp7: Rantanen verkürzt Führung im Powerplay

Trotz aller Enttäuschung ordnete auch Avalanche-Trainer Jared Bednar das Aus ein und fand einen positiven Ansatz: "Ich bin richtig stolz auf dieses Team. Einfach wie und wie hart es das ganze Jahr gespielt hat. Es ist ziemlich beeindruckend, was sie abschütteln konnten. In manchen Jahren ist es etwas schwerer als in anderen - und dieses war ein sehr schweres Jahr für uns. Es ist in dieser Serie so viel passiert, was du nicht planen konntest. Wir haben schon in der ganzen Saison Schlüsselspieler verloren, für die dann andere eingesprungen sind. Gerade deshalb ist es so enttäuschend für mich, weil ich wollte, dass diese Jungs in der Kabine es schaffen, eine Runde weiter zu kommen. Ich kann also kein schlechtes Wort über diese Jungs sagen."

Ein Team im besten Alter

Für die Zukunft braucht sich Colorado keine Sorgen machen. Leistungsträger wie MacKinnon (27), Rantanen (24) oder Landeskog (30) sind im besten Eishockey-Alter oder erreichen dieses erst noch. Mit Cale Makar (24), Sam Girard (24) und Bowen Byram (21) sind drei Verteidiger des sechs Spieler umfassenden Abwehr-Kerns erst 24 Jahre oder jünger.

SEA@COL, Sp5: MacKinnon fälscht Puck ins Netz ab

Gleichwohl könnten die Avalanche im Sommer auch eine Menge Erfahrung verlieren, denn die Verträge der sechs ältesten Spieler (Jack Johnson, 36; Helm, 36; Cogliano 35; Erik Johnson 35; Lars Eller, 33; Keith Kinkaid, 33) laufen aus. General Manager Chris MacFarland dürfte also insbesondere in den Bottom-Six-Sturmreihen und in der Abwehr nach Verstärkungen fahnden. Auch benötigt Colorado für einen tieferen Playoff-Run mehr Qualität in der zweiten Reihe.

Derweil hoffen Talente, die bereits erste NHL-Luft schnuppern konnten, auf einen Platz in der Aufstellung. Darunter etwa die beiden Stürmer Jean-Luc Foudy (20, NHL Draft 2020, 3. Runde, 75. Stelle) und Oskar Olausson (20, NHL Draft 2021, 1. Runde, 28. Stelle). Verteidiger Sean Behrens (20, NHL Draft 2021, 2. Runde, 61. Stelle) hofft nach zwei starken Jahren an der Denver University in der NCAA auf den Durchbruch bei den Avalanche.