Marchand

Eine Identifikationsfigur folgt auf die andere. Nachdem Patrice Bergeron nach 19 Jahren Teamzugehörigkeit bei den Boston Bruins seine Karriere beendet hat, übernimmt nun Brad Marchand dessen Kapitänsamt. Der linke Flügelstürmer spielte ebenfalls nie für ein anderes Team in der NHL. Beim NHL Draft 2006 in der 3. Runde gepickt, debütierte der Kanadier in der Spielzeit 2009/2010 für die Bruins.

Seine Bilanz: 947 Spiele, 371 Tore und 490 Assists. Sein größter Erfolg war der Stanley-Cup-Sieg im Jahre 2011. Dass er ab sofort das Kapitänsamt der Bruins ausfüllt, ist die Krönung seiner ohnehin schon beeindruckenden Karriere. „Ich bin sehr stolz auf Brad und darauf, was für ein Eishockeyspieler er geworden ist“, sagt Charlie Jacobs, der CEO der Boston Bruins, in einer Erklärung. "Brad ist seit über 15 Jahren ein Bruin und hatte die Gelegenheit, von großen Führungspersönlichkeiten wie Zdeno Chara und Patrice Bergeron zu lernen. Er ist bereit für diese Chance. Unser gesamtes Team wird von seinem Engagement und seiner Hartnäckigkeit lernen. Ich bin zuversichtlich, dass er unsere Organisation mit Herz und Mut vertreten wird."

„Es bedeutet mir noch viel mehr als man vermutlich denken mag“, sagt der neue Anführer der Bruins und verweist ebenfalls auf die prominenten Vorgänger. „Ich habe zwei der besten Leader aller Zeiten hier miterlebt. Ich weiß, dass das ein Vollzeit-Job ist. Sie haben so viel Arbeit und Zeit in das Team gesteckt, auch hinter den Kulissen. Ich habe gesehen, wie sie das Team weiterentwickelt haben, wie sie die Gruppe auf verschiedene Weisen zusammengeführt haben und die Kultur innerhalb der Mannschaft fortgeführt haben. Ich weiß, dass ich in große Fußstapfen trete. Ich freue mich über diese Möglichkeit. Das ist ein unglaubliches Geschenk dieser Organisation.“

Cam Neely, der Präsident der Bruins, hat keinen Zweifel, dass Marchand seine prominenten Vorgänger gut vertreten wird. „In dieser Organisation habe ich Ray Bourque, Zdeno Chara und Patrice Bergeron als Kapitäne erlebt. Was diese Jungs gemeinsam haben, war nicht nur, dass sie großartige Spieler waren. Sie haben auch jeden Tag hart gearbeitet. Beim Training haben sie ihre Mitspieler dazu angetrieben, hart zu arbeiten. Brad tut das ebenfalls. Er hat das gelernt. Er hatte natürlich auch einige gute Mentoren. Er hat in seiner Karriere einen langen Weg zurückgelegt, sowohl auf wie auch neben dem Eis, und hat viel an Reife gewonnen.“

Marchand ist ein Spielertyp, den vermutlich jeder Eishockeyspieler gerne in seiner Mannschaft haben möchte. Doch niemand tritt wohl gerne gegen ihn an. Der 35-Jährige hat den Ruf, ein Pest bzw. Agitator (dt. Anstifter) zu sein. Damit gemeint ist ein Spielertyp, der gegnerische Spieler versucht zu irritieren und aus dem Konzept zu bringen, um deren Effektivität zu reduzieren oder sie dazu zu verleiten, eine straffällige Aktion zu begehen. Weil Marchand das Regelwerk gelegentlich überstrapaziert, kassierte er bereits viele Strafen.

Neely stellt allerdings einen Reifeprozess fest: „Er hat den schmalen Grat gefunden, um einerseits der Spieler zu sein, der er sein möchte, andererseits aber auch seine Emotionen im Griff zu haben. Er ist ein sehr emotionaler Spieler und bringt sich dadurch manchmal in Schwierigkeiten. Das war in der Vergangenheit der Fall. Aber er hat in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet.“

Es mag vielleicht auf den ersten Blick überraschen, dass ein polarisierender Spieler wie Marchand zum Kapitän ernannt wird. Doch spätestens auf dem zweiten Blick ergibt diese Entscheidung Sinn. Der Grund: Wenn seine Vorgänger Chara und Bergeron das Herz der Bruins waren, repräsentiert Marchand die Wettkampfseele des Teams. Er hat sich auch zu einer starken Stimme in der Umkleidekabine entwickelt. Er ist ein Spieler, der seine Mannschaft antreibt und Respekt bei den Trainern sowie Mitspielern besitzt.

BOS-Bergeron-Marchand

Don Sweeney, der General Manager der Bruins, hat den Karriereweg von Marchand eng begleitet. Als dieser nämlich gepickt wurde, begann Sweeney seine berufliche Laufbahn innerhalb der Organisation – zunächst als Director of Player Development, seit Mai 2015 in seiner heutigen Funktion. 

„Ich war vor Ort und Teil dieser Organisation, als Brad gepickt wurde“, erinnert sich Sweeney. „Ich habe miterlebt, wie er in der AHL bei den Providence Bruins loslegte und zu einem der besten linken Flügelspieler der National Hockey League wurde. Ich habe gesehen, wie er auf und neben dem Eis reifer geworden ist. Er hat sehr viel Antrieb und Leidenschaft für das Spiel und diese Organisation in sich. Er hat immer weiter an seinem Spiel gearbeitet und mit den besten Spielern der Welt trainiert, weil er auch selber einer der größten Spieler sein wollte. Dafür verdient er viel Anerkennung.“

Und nun auch das Kapitänsamt.

Verwandte Inhalte