Bruins83

Vom 1. August an nimmt NHL.com/de in der Serie 32 in 32 täglich ein Team der Liga mit Blick auf die Saison 2023/24 unter die Lupe. Die zweiteilige Bestandsaufnahme besteht aus einer Analyse der wichtigsten personellen Veränderungen, der Schlüsselspieler, der Stärken und Schwächen, der Playoff-Chancen und einem gesonderten Spielerporträt.

In dieser Ausgabe: Boston Bruins

Die Boston Bruins erlebten eine bittersüße Saison 2022/23: In der regulären Saison stellten die Bruins neue NHL-Rekorde in Sachen Punkte (135) und Siege (65-12-5) auf und gingen als absoluter Titelfavorit in die Stanley Cup Playoffs 2023. Dort allerdings verabschiedete Boston völlig überraschend bereits in der 1. Runde gegen die Florida Panthers (Serie: 3:4). Nun droht ein unbequemer Sommer, denn nach prominenten Abgängen - darunter Franchise-Mittelstürmer Patrice Bergeron - gilt es, auslaufende Verträge von langjährigen Leistungsträgern zu verlängern. Allerdings wird dieses Unterfangen zusätzlich erschwert von einer Cap-Strafe.

Die wichtigsten Veränderungen im Kader

Bostons General Manager Don Sweeney steht vor einer großen Herausforderung: Er muss prominente Abgänge wie die der Stürmer Patrice Bergeron (Karrierende), David Krejci (Zukunft offen), Taylor Hall, Nick Foligno (beide jetzt Chicago Blackhawks), Tyler Bertuzzi (Toronto Maple Leafs), Garnet Hathaway (Philadelphia Flyers) und Tomas Nosek (New Jersey Devils) sowie der Verteidiger Dmitry Orlov (Carolina Hurricanes) und Connor Clifton (Buffalo Sabres) kompensieren. Allerdings stehen dem Bruins-GM nach einer Strafe wegen zu hoher Vertragsprämien aus der Vorsaison 4,5 Millionen US-Dollar weniger für die Kaderplanung zur Verfügung.

Franchise-Player Bergeron erklärte am 25. Juli, dass er seine Schlittschuhe an den Nagel hängen wird. Somit geht eine Ära zu Ende, denn der Franko-Kanadier verbrachte 19 NHL-Saisons bei den Bruins, gewann dank seines Cup-Clinching-Goals 2011 den Stanley Cup, sechsmal die Selke Trophy als bester Zwei-Wege-Stürmer des Jahres und befindet sich im sogenannten Triple-Gold-Club (Olympia-Gold, WM-Gold, Stanley Cup). Die Lücke, die der 38-Jährige hinterlässt, ist riesig, immerhin war er in der Vorsaison Nummer-1-Center, drittbester Scorer (27-31-58), geschätzter Faceoff-Spezialist (61,14 Prozent gewonnene Bullys) und Kapitän.

Auch Krejci könnte seine NHL-Karriere beenden - seine Zukunft ist noch immer offen. Der 37-Jährige zeichnete zuletzt für 56 Punkte (16-40-56) verantwortlich und centerte als Spielmacher die brandgefährliche "Tschechen-Reihe" neben Power Forward Pavel Zacha und Scharfschütze David Pastrnak.

Einen Großteil des verbliebenen Gehaltsspielraums verwendete Boston dafür, mit Torwart Jeremy Swayman (37 Spiele, 33 Starts, 24 Siege, 2,27 Gegentore/Spiel, 92 Prozent Fangquote, vier Shutouts) zu verlängern (unterschrieb am 1. August für 3,475 Millionen US-Dollar für ein Jahr bis 2024). Der 24-Jährige gewann gemeinsam mit seinem Torhüter-Kollegen Linus Ullmark (49 Spiele, 48 Starts, 40 Siege, 1,89 Gegentore/Spiel, 93,8 Prozent Fangquote, zwei Shutouts) die Jennings Trophy für die wenigsten Gegentore in der Hauptrunde. Zusammen bildeten beide ein harmonisches und hochklassiges Goalie-Tandem, das in der Liga seinesgleichen suchte.

Bei den Neuzugängen bringen die beiden Stürmer James van Riemsdyk (zuletzt Philadelphia Flyers) und Milan Lucic (Calgary Flames) eine Menge Erfahrung mit. "JVR" könnte in seiner 16. NHL-Saison die Marke von 1000 Spielen knacken (aktuell: 940 Spiele, 300-291-591). Der physisch starke Lucic (1,91 Meter groß, 105 Kilogramm schwer) kehrt nach neun Jahren an die alte Wirkungsstätte zurück, geht in seine 18. NHL-Saison (1173 Spiele, 233-351-584) und dürfte keinerlei Eingewöhnungszeit brauchen: Der 35-Jährige wurde im Jahr 2006 in der 2. Runde an 50. Stelle von Boston gedraftet und trug acht Jahre lang das "B" auf dem Trikot. Für mehr Tiefe sollen außerdem die neuen Angreifer Morgan Geekie (Seattle Kraken) und Jesper Boqvist (New Jersey Devils) sowie Verteidiger Kevin Shattenkirk (Anaheim Ducks) sorgen.

Schlüsselspieler

Die beiden ultimativen Schlüsselspieler heißen David Pastrnak (27) und Brad Marchand (35). Marchand ist das Gesicht der Bruins und wird das Kapitänsamt von Bergeron übernehmen. In der Vorsaison war der Flügelstürmer der zweitbeste Scorer bei Boston (21-46-67) und ist als Charakter eine unfassbar wichtige Personalie. Pastrnak war zuletzt Top-Torjäger und Top-Scorer in seiner Mannschaft (61-52-113). Der Scharfschütze sprüht vor Finesse, Technik und Torgefahr. Die Rolle des Abwehrchefs bekleidet weiterhin Charlie McAvoy (25). Im Tor wird es auf Ullmark (29) ankommen.

Pastrnaks Top-5-Tore der Saison 2022/23

Spieler aus DACH

Fehlanzeige

Stärken

Die große Stärke der Bruins wird auch in der Saison 2023/24 wieder die Defensive sein: Mit Verteidigern wie McAvoy, Hampus Lindholm, Matt Grzelcyk, Brandon Carlo, Derek Forbort, Jakub Zboril und Shattenkirk hat Boston verlässliche Abwehrcorps, gegen die es schwer sein wird, ein Tor zu erzielen. Insbesondere auch, weil das außergewöhnliche Torwart-Tandem um Ullmark und Swayman zusammenbleibt. In der Vorsaison kassierten die Bruins im Schnitt nur 2,12 Gegentore/Spiel und stellten somit die beste Defensive in der NHL.

Verbesserungspotenziale

Aufgrund des heftigen Aderlasses in der Offensive stellt sich die Frage, ob Boston ähnlich produktiv wie in der Vorsaison (3,67 Tore/Spiel, 2.) auftreten kann. Mit Bergeron (27 Treffer), Krejci (16), Hall (16), Foligno (10), Nosek (7), Orlov (4), Bertuzzi (4) und Hathaway (4) verlieren die Bruins immerhin 88 Saisontore und neben Qualität in der Spitze (Bergeron, Krejci, Hall, Bertuzzi) auch eine Menge Tiefe (Foligno, Nosek, Hathaway). Hinzu kommt ein Führungsspieler-Vakuum, das nun andere Spieler (z.B. Charlie Coyle, Zacha, Jake DeBrusk) füllen müssen. Insgesamt eine gefährliche Mischung, die Boston auf die Füße fallen könnte.

Vielversprechende Talente

Die eigenen Talentefabrik förderte in den letzten Jahren kaum Prospects zu Tage: Seit dem Draft 2018 wählten die Bruins zwar 27 Spieler aus, doch nur Jakub Lauko erhielt auch Eiszeit in der NHL. Beim Farmteam Providence Bruins in der AHL drängten sich zuletzt die Stürmer Georgii Merkulov (22, 67 Spiele, 24-31-55) und Fabian Lysell (20, 54 Spiele, 14-23-37) auf.

Die Bruins schaffen es in die Playoffs, wenn…
…sie das Führungsspieler-Vakuum füllen und die Abgänge kompensieren können. Das Rückgrat bleibt die Defensive, doch braucht es auch Tore von anderen Spielern wie Pastrnak oder Marchand, um das Ticket für die Stanley Cup Playoffs zu lösen. Boston steht vor einer brandgefährlichen Saison - die Serie von sieben Jahren Playoffs in Folge könnte reißen.