Während der Saison 2018/19 wird das Team von NHL.com/de jeden Freitag in der Rubrik "Writer's Room" wichtige Themen der Liga diskutieren und analysieren. In dieser Ausgabe: Toronto Maple Leafs als neue Macht in der Eastern Conference.
NHL.com/de diskutiert den Erfolg Torontos
Das Redaktionsteam diskutiert darüber, ob der Saisonstart der Maple Leafs nachhaltig sein wird
© Mark Blinch/Getty Images
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Das Jahr 1967 liegt lange zurück, genau genommen 51 Jahre. Viele von uns waren zu dieser Zeit noch nicht einmal geboren. Damals standen die Toronto Maple Leafs letztmalig in einem Stanley Cup Finale und konnten den Cup schließlich durch einen Sieg nach sechs Spielen gegen die Montreal Canadiens gewinnen.
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Durch die Verpflichtung von Stürmer John Tavares im Sommer und nach sechs Siegen in den ersten acht Spielen der Saison, in denen sie beeindruckende 33 Tore erzielten, stellt sich die Frage, ob die Maple Leafs wirklich zu einer Spitzenmannschaft werden und mehr erreichen können, als die Qualifikation zu den Stanley Cup Playoffs in den beiden vergangenen Jahren. Dort scheiterten sie jeweils in der ersten Runde.
Die Optimisten reden Toronto bereits seit den Tavares-Deal stark und erwarten sie als einen der Favoriten in dieser Saison. Die Realisten heben den Finger und betonen, dass es in der Geschichte der NHL genug Beispiele gibt, dass ein guter Start alleine nicht ausreicht, um sich in den Kreis der Titelaspiranten zu spielen, geschweige denn den Stanley Cup am Ende auch zu gewinnen.
Sich in der regulären Saison eine gute Ausgangsposition zu erarbeiten ist das eine, aber schließlich und letztendlich muss die Hochform vorhanden sein, wenn es ab Mitte April in den Playoffs ernst wird. Von diesem Zeitpunkt sind wir noch ein halbes Jahr, die Maple Leafs genau genommen 74 Spiele, entfernt.
Robin Patzwaldt: Erfahrungsgemäß ist es noch viel zu früh sich ernsthaft darüber zu unterhalten, wer in dieser Saison am Ende den Stanley Cup gewinnen wird. Natürlich, die bisherigen Vorstellungen der Maple Leafs waren durchaus beeindruckend. Nicht nur, dass Auston Matthews bisher herausragendes leistet hat, auch die ersten Spiele von John Tavares waren wahrlich bemerkenswert. Wir dürfen davon ausgehen, dass das Team im Laufe der kommenden Wochen sogar noch weiter zusammenwachsen wird, sich die viel zitierte Team-Chemie weiter ausprägen dürfte. An einer Qualifikation für die Playoffs dürfte es, nach menschlichem Ermessen, bei den Jungs aus Toronto keinen seriösen Zweifel geben. Doch dann werden die Karten eben stets völlig neu gemischt. Um zu ermessen, wie schwer es ist, einer vermeintlichen Favoritenrolle letztendlich auch gerecht zu werden, da muss man nur einmal bei den Washington Capitals nachfragen, die erst nach etlichen Jahren ihren 'Playoff-Fluch' überwinden konnten und tatsächlich einmal alle anderen Teams hinter sich lassen konnten, als es wirklich darauf ankam. Kein Grund also zu übertriebener Euphorie in und rund um Toronto in diesen Tagen.
Bernd Rösch: Der starke Saisonstart der Maple Leafs ist keinesfalls nur ein Strohfeuer. Dieses Team hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren so zusammengeschworen wie kein anderes in der Liga. Torontos talentierte junge Spieler sind gereift, haben ihre Playoff-Erfahrungen gemacht und aus den Serien-Niederlagen 2017 und 2018 gegen die Washington Capitals und die Boston Bruins gelernt. Die Jungs von Coach Mike Babcock haben nichts von ihrer Unbekümmertheit verloren und treten sogar noch selbstbewusster auf als in den Jahren zuvor. Drei ihrer vier Stürmer, die in dieser Saison schon mindestens vier Tore geschossen haben, sind 22 Jahre oder jünger. Und der vierte ist kein Geringerer als Tavares. An ihrem Erfolgshunger gibt es keine Zweifel, denn mit Ausnahme von Verteidiger Ron Hainsey (mit Pittsburgh 2017) konnte noch keiner von ihnen den Stanley Cup in Empfang nehmen. Es stellt sich die Frage, wie das Team mit Rückschlägen, zu denen es in einer langen Saison kommen wird, umgeht. Anzeichen, dass es teamintern Unruhe geben könnte, gibt es keine.
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Alexander Gammel:Die Offensive der Maple Leafs gehört ohne jeden Zweifel zu den beeindruckenden der gesamten NHL. Nicht nur die Ausbeute der aktuellen Saison, mit 33 Toren aus sieben Spielen, spricht für Toronto, auch das Alter ist ein positiver Faktor. Die Leistungsträger sind größtenteils junge Spieler, die aber schon wenigstens zwei volle Saisons hinter sich haben. Sie haben bereits bewiesen, dass sie nicht nur eine gute Saison haben, sondern in der Lage sind, dauerhaft Punkte zu liefern. Dazu kommen erfahrene Scorer wie Tavares, Patrick Marleau und Nazem Kadri.Diese stabile Offensive mit Entwicklungspotenzial ist für die Maple Leafs ein unglaublicher Vorteil, der sie definitiv zu einem fast sicheren Kandidaten für die Playoffs und sogar zu einem Anwärter auf den Stanley Cup macht. Ja, viele Teams sind schon nach einem guten Start abgestürzt, die Montreal Canadiens können ein Lied davon singen und die St. Louis Blues hat es vergangene Saison böse erwischt. Die Maple Leafs geben aber keinen Grund zum Zweifel an ihrer Stabilität. Schaut man sich die Entwicklung der letzten Jahre an, dürften in der Atlantic Division höchstens die Boston Bruins und die Tampa Bay Lightning die Qualität haben, mit ihnen zu konkurrieren, aber selbst diese beiden Teams müssten sich noch deutlich steigern, um Toronto das Wasser reichen zu können.
Christian Göbel: Natürlich ist die Offensive der Maple Leafs überragend, daran besteht kein Zweifel. Im Gegensatz zu Alexander sehe ich jedoch massive Defizite in der Defensive. Mit 23 Gegentoren ist Toronto das viertschlechteste Team der Liga in dieser Kategorie. Wir kennen alle den Spruch "Offense wins games but defense wins championships." (Offensive gewinnt Spiele, doch die Defensive Meisterschaften). Washington hatte vergangene Saison immerhin eine durchschnittliche Defensive und konnte so Spiele taktisch dominieren und die fantastische Offensive der Vegas Golden Knights aus dem Spiel nehmen. Sollten die Maple Leafs sich hier nicht finden, werden ihre Fans zwar eine unterhaltsame und auch erfolgreiche Hauptrunde erleben, doch für den großen Wurf in den Playoffs ist mehr Stabilität im eigenen Drittel nötig.
Axel Jeroma: Grundsätzlich denke ich, dass die Maple Leafs wieder mal dran sind mit einem Titel. Der erste Schritt auf dem Weg in Richtung Stanley Cup sollte keine Probleme bereiten. Zwar wird es in der Hauptrunde auch noch schwächere Phasen des Teams geben, aber die Qualifikation für die Playoffs dürfte dank der furiosen Abteilung Attacke lediglich Formsache sein. Die Endrunde wird sicherlich eine ganz andere Hausnummer. Als härtesten Gegner für Toronto auf dem Weg ins Conference Finale erwarte ich die Tampa Bay Lightning, die ebenfalls alles dafür tun werden, um dieses Jahr den ganz großen Wurf zu landen. Sollte es zu diesem Duell kommen und die Maple Leafs die Serie gewinnen, traue ich ihnen im weiteren Verlauf der Playoffs alles zu.
Stefan Herget: Vieles in den Beiträgen ist meiner Meinung nach richtig, doch wie Bernd schon andeutete, hat eine lange Saison in der NHL seine eigenen Gesetze. So lassen sich Verletzungen kaum vermeiden und dann kommt es insbesondere darauf an, wie die zweite Garde ihren Auftrag erfüllen kann. Die Penguins hat in den Jahren 2016 und 2017 stark und letztendlich zum Sieger gemacht, dass sie einen starken Unterbau hatten und Spieler wie Jake Guentzel, die vorher kaum jemand auf der Rechnung hatte, auftrumpften. Es bleibt also abzuwarten, wie sich Toronto weiterentwickelt. Der Auftakt war jedoch ohne Zweifel positiv.