Montreal Canadiens v Vancouver Canucks

Marc Michaelis kehrte in diesem Jahr zu den Adler Mannheim zurück, für dessen Jugendmannschaft er früher bereits spielte. Zwischenzeitlich war er unter anderem in der NHL für die Vancouver Canucks aktiv. Im Interview spricht er mit NHL.com/de über seine bisherige Laufbahn.

Hallo Marc, du spielst mit 29 Jahren Deine erste Saison in der DEL. Wie gut hast du Dich in der deutschen Spielklasse eingewöhnt?

Es wird besser. Natürlich war es eine Umstellung, von Amerika nach acht Jahren zurück nach Europa zu kommen. Dann war ich erst einmal zwei Jahre in der Schweiz. Auch dort ist das Eishockey noch einmal ein bisschen anders als hier in der DEL. Aber mit der Zeit wird es immer besser.

Wie bewertest Du den bisherigen Saisonverlauf der Adler Mannheim?

In Ordnung. Es gab einen größeren Umbruch hier in der Organisation. Natürlich versuchen wir, grundlegende Dinge wie die Kultur zu verändern. Ich glaube, wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben schon viel erreicht, was das anbelangt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir auch spielerisch an dem anknüpfen können.

Calgary Flames v Vancouver Canucks

Du bist dem Nachwuchs der Adler Mannheim entsprungen, ehe du mit 19 Jahren nach Nordamerika gegangen bist. Warum hast Du Dich damals für diesen Weg entschieden?

Zur damaligen Zeit war es nicht gegeben, dass man jüngere Spieler fördert – gerade hier in Mannheim. Vor elf Jahren war die Perspektive für junge deutsche Spieler noch nicht so gut. Ich musste meinem Körper mehr Zeit geben, damit ich irgendwann Profi-Eishockey spielen kann. Über die Junioren-Liga und die Universitäts-Liga habe ich es geschafft, die Jahre nachzuholen, die mein Körper gebraucht hat, um gegen Männer Eishockey spielen zu können.

Du spieltest zunächst für die Minnesota Magicians in der North American Hockey League, dann ab Dezember 2014 für die Green Bay Gamblers in der United States Hockey League. Wie hast Du Dich damals in den USA zurechtgefunden?

Ich muss erst einmal sagen, dass ich dort eine super Gastfamilie hatte, die mich herzlich aufgenommen und sich um mich gekümmert hat. Dementsprechend war das Heimweh nicht zu groß. Gleichzeitig habe ich eine Familie, die mich über mein ganzes Leben schon hinweg supportet und mich in den USA besucht hat. Schlussendlich war das ein Weg, den ich selbst gehen wollte. Wenn man mit Leidenschaft dabei ist, verbessert man sich ständig.

Du verbrachtest daraufhin vier Jahre an der Minnesota State University. Wie wertvoll war diese Zeit für deine Entwicklung als Mensch und als Sportler?

Nachdem ich mit 18 Jahren mein Abitur gemacht hatte, habe ich zwei Jahre in der Junioren-Liga nichts anderes gemacht als Eishockey zu spielen. Es war natürlich schwer, mich wieder in eine Klasse zu setzen. Aber das ist alles mit Disziplin verknüpft. Und natürlich ist es gut, neben dem Eishockey mit meinem Studium im Finanzwesen noch etwas in der Hand zu haben.

Hattest du damals das klare Ziel, in die NHL zu gelangen?

Nein, tatsächlich nicht. Wie gesagt: Ich habe in Mannheim einfach keine Chance gesehen, um Spielpraxis zu sammeln und mich weiterzuentwickeln. Der Plan war, in Amerika in der Juniorenliga zu spielen und vielleicht auch an der Universität, um danach wieder zurückzukommen und in der DEL zu spielen. Glücklicherweise habe ich mich drüben so gut entwickelt, dass ich in der NHL eine Chance bekam.

Du warst am College sehr erfolgreich und bist unter anderem 2020 als Player of the Year Western Collegiate Hockey Association ausgezeichnet worden. Wie entstand danach der Kontakt zu den Vancouver Canucks, bei denen Du einen Vertrag unterzeichnet hast?

Es hat sich in der Universitäts-Liga relativ früh angedeutet, dass in Richtung NHL etwas möglich wäre. Ich war Kapitän meiner Mannschaft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich mich für diesen Schritt bereit fühle. Ich wurde vom Außenstürmer zum Mittelstürmer umfunktioniert, was natürlich Zeit gebraucht hat. Daher spielte ich die vollen vier Jahre am College. Der Kontakt zu den Canucks kam dann über meinen Agenten zustande.

Toronto Maple Leafs v Vancouver Canucks

Gab es auch andere Optionen?

Ja, ich hatte auch zu anderen NHL-Teams Kontakt, aber Vancouver schien für mich am besten zu passen. Sie hatten viele ältere Spieler und wenig junge Spieler. Deshalb erschien mir die Wahrscheinlichkeit dort am größten, langfristig in der NHL zu bleiben.

Du hast in der Saison 2020/21 in der NHL 15 Spiele absolviert. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?

Es war eine sehr schwere Zeit, muss ich ganz ehrlich gestehen. Ich habe natürlich viel gelernt, in so einer Organisation zu sein. Aber es war eben das Corona-Jahr, in dem es sehr viele Richtlinien und Regeln gab. Es war schwer, damals dem Taxi Squad anzugehören, nicht in der AHL zu spielen und trotzdem sofort auf Top-Niveau sein zu müssen, wenn der Call aus der NHL kommt. Und dann spielte ich nur darum, im Lineup zu bleiben – und nicht darum, den Unterschied auf dem Eis auszumachen. Das war auch der Hauptgrund dafür, dass ich nicht in der NHL geblieben bin.

Wie war Dein Eindruck von Trainer Travis Green, der nun der Trainer von Tim Stützle bei den Ottawa Senators ist?

Er ist ein sehr hockeybegeisterter, leidenschaftlicher Trainer, der sehr gerne in der NHL trainiert und nicht jeden Tag als selbstverständlich nimmt. In der NHL zu sein, ist ein Privileg. Er verkörpert das.

Du hast dreimal gegen die Edmonton Oilers mit Leon Draisaitl gespielt. Zweimal habt Ihr gewonnen, einmal siegten die Oilers. Welche Erinnerungen hast Du an die Duelle mit Leon?

Ich habe nicht nur gegen Leon gespielt, sondern auch gegen Dominik Kahun, der damals zeitgleich in Edmonton spielte. Beim Aufwärmen vor dem Spiel sprachen wir drei miteinander. Es war verrückt, weil wir 2012 noch in der Jugend zusammengespielt hatten und nun in der NHL auf dem Eis standen. Hätte mir das früher jemand gesagt, hätte ich den für verrückt erklärt. Daher war das einer der schönsten Momente meiner Karriere.

Und wie hast Du Leon als Gegenspieler auf dem Eis wahrgenommen?

Leon war schon immer ein Spieler, der bei jedem Wechsel den Unterschied ausmachen kann. Das ist bereits damals im Nachwuchs von Mannheim oder bei der Nationalmannschaft so gewesen. Und das war auch der Fall, als wir in der NHL gegeneinander spielten. Leon ist einer der gefährlichsten Spieler und der beste Passgeber auf der Welt. Er hat einen unglaublichen Drive, ständig besser sein zu wollen, auch besser als sein Mitspieler Connor McDavid. Das spornt ihn an und zeichnet ihn aus.

Im Jahre 2022 bist Du nach Europa zurückgekehrt, hast erst eine Saison in der Schweiz für die SCL Tigers gespielt, dann warst du in der vergangenen Saison für den EV Zug aktiv. War für Dich damals klar, dass das Kapitel NHL abgeschlossen ist?

Nein, ich hatte die NHL noch im Hinterkopf. In Vancouver hatte ich nur diese eine Saison in der Corona-Zeit. Danach hatte ich mich verletzt und fiel fünf Monate aus. Dadurch hatte ich über einen Zeitraum von zwei Jahren nur sehr wenig Spielpraxis gesammelt. Es ging für mich darum, mein Selbstvertrauen zurückzubekommen und wieder der Spieler zu sein, der ich einmal war. Ich hatte gehofft, noch einmal in die NHL zurückzukommen. Aber dazu kam es nicht.

Toronto Maple Leafs v Vancouver Canucks

Wie würdest Du das Niveau in der NHL, der DEL und der Schweizer National League miteinander vergleichen?

Die kleinere Eisfläche in Amerika ist natürlich ein wichtiger Punkt. Das heißt, deine Optionen sind limitiert. Wenn du die Scheibe an der Bande bekommst, kannst du meist nur in die Mitte spielen. Wenn du hier auf der großen Eisfläche die Scheibe bekommst, hast du mehr Möglichkeiten. Du kannst in die Mitte spielen, du kannst auf die andere Seite spielen, du kannst zurückspielen - du hast mehr Zeit und mehr Optionen. Das Spiel ist komplizierter und langsamer. Das ist eigentlich der gravierendste Unterschied. Aber auch der Spielstil in Deutschland und der Schweiz entscheiden sich voneinander. Wenn du in der DEL als Verteidiger den Puck gewinnst, hauen die Außenstürmer sofort ab und sind schon aus der eigenen Zone raus. In der Schweiz hingegen spielst du ein relativ strukturiertes und taktisch geprägtes Eishockey.

Was macht mehr Spaß: Eishockey in Nordamerika oder Eishockey in Europa?

Ich würde sagen, es ist einfach anders. Ich habe in der NHL einen Fehler gemacht, indem ich nur gespielt habe, um im Lineup zu bleiben. Das würde ich jetzt anders machen. Und dann hätte ich auch mehr Spaß.

Das heißt, Du würdest Dich mental weniger unter Druck setzen?

Damals war das so: Du spielst, um nicht aufzufallen. Du spielst, um keinen Turnover zu haben. Du willst nicht negativ auffallen. Du bist total fokussiert darauf, keinen Fehler zu machen und verlierst Dein eigenes Spiel. Aber normalerweise darf man solche Gedanken überhaupt nicht haben. Du musst die Option abwägen und dich für die beste entscheiden. Und wenn es die falsche Option war, dann ist das eben so. Aber ich habe damals eben nur versucht, nicht negativ aufzufallen. Das war nicht die richtige Herangehensweise.

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