Krupps 3OT-Tor zum Cup-Sieg der Avalanche

Den 56. Torschuss auf sein Gehäuse bei 4:31 Minuten in der dritten Verlängerung von Spiel 4 im Stanley Cup Finale musste John Vanbiesbrouck, der Torhüter der Florida Panthers, an diesem 10. Juni 1996 schließlich passieren lassen. Wobei aufgrund der langen Spielzeit schon längst der 11. Juni angebrochen war.

In Deutschland war es bereits früh am Morgen, als Uwe Krupp unvergessen von der blauen Linie in der Nähe der Bande zu seinem fünften Torschuss im Spiel ansetzte und der Puck beim Stand von 0:0 an Freund und Feind vorbei hinter Vanbiesbrouck im Netz einschlug. Die Colorado Avalanche gewannen damit die Partie mit 1:0 und die Serie zum Gewinn des Stanley Cup. Mittendrin der deutsche Verteidiger als tragende Säule in der Defensive der Meistermannschaft und erster Cupgewinner seines Landes.
"Das war eine Position an der Bandenseite, von der aus kann man auf der NHL-Eisfläche ein Tor schießen", verdeutlicht Krupp im exklusiven Gespräch mit NHL.com/de. "Das ist der Unterschied zur europäischen Eisfläche, wo das wegen dem Winkel wesentlich schwieriger ist."
Für Krupp war es der vierte Treffer und 16. Punkt in den Playoffs, womit er einen Zähler hinter Teamkollege Sandis Ozolinsh die Playoffs als zweitbester Punktesammler unter den Verteidigern, noch vor solchen Größen wie Nicklas Lidstrom, Paul Coffey oder Sergei Zubov, abschloss.

krupp goal 1996 cup

"Ich hatte das Gefühl, dass ich unheimlich viel Zeit hatte, zu schießen", schildert Krupp weiter. "Das war sehr ungewöhnlich, gerade für so eine Serie in den Finals, wo man meistens nicht viel Platz hat. Ich hatte die Zeit, mir das Ding zurecht zu legen und mein Gewicht zu verlagern. Das war kein überhasteter Schuss, sondern sehr überlegt. Der geht aber nur rein, wenn man jemand vor dem Tor hat, der dem Torhüter die Sicht nimmt, in diesem Fall Adam Deadmarsh. Das war genauso wichtig, wie der Schuss selbst."
Trotzdem bleibt der Stanley Cup Sieg 1996 der Avalanche aufgrund des erfolgreichen Schusses unweigerlich mit dem Namen Krupp verbunden. Nicht zuletzt war es auch der erste Titelgewinn der 1972 gegründeten Franchise, die 1979 aus der WHL (World Hockey Association) in die NHL wechselte. Krupp selbst erinnert sich vor allem an den Moment des Triumphes, als er realisiert hat, dass es vorbei war.
"Beim Gewinn des Stanley Cup mit der Overtime war viel Dramatik und Emotionen drin", erzählt Krupp. "Wenn du das Ding gewinnst, dann kommt über alle eine große Erleichterung. Es ist ja nicht nur Freude, sondern die ganze Anspannung fällt von einem ab. Wenn man über zweieinhalb Monate fast jeden zweiten Tag spielt, dann ist das ein ganzer Haufen Holz, der da zusammenkommt. Das war eine riesige Sache, eine Top-Mannschaft. Dieser Moment, als es feststand, war unerreicht."
Unerreicht war der Teamgeist der damals im Team der Avalanche vorherrschte und das aus einem besonderen Grund, wie Krupp weiß. Hintergrund war, dass die Franchise im Sommer zuvor von den Quebec Nordiques zu den Avalanche geworden ist und der ganze Tross nach Denver umzog.
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"Wir waren eine besondere Mannschaft", stellt Krupp klar. "Schon die Gruppe, die aus Quebec gekommen ist. Wir waren ein verschworener Haufen. Ich weiß noch, dass wir in Denver alle gemeinsam beim Makler auf Immobiliensuche waren und dann freundschaftlich die Appartements aufgeteilt haben. Da sind wir schon zusammengewachsen, dass wir immer auf die Gruppe und nicht auf uns persönlich geschaut haben."
Doch der Erfolg war kein Zufall, wovon Krupp überzeugt ist und auch die weitere Entwicklung in den Jahren danach bezeugte, weil Colorado bis 2004 stets zum Favoritenkreis zählte und 2001 einen weiteren Stanley Cup gewann.
"Es war keine Mannschaft, die aus dem Nichts kam, sondern wir haben uns stetig verbessert und waren viele gute Spieler, die durch geschickte Trades vom General Manager Pierre Lacroix gezielt verstärkt wurde", ist Krupp überzeugt. "Ich denke da an Patrick Roy, Claude Lemieux und im Jahr davor mit Sylvain Lefebvre und mir, also einige Neuzugänge, die neben den Stars Joe Sakic und Peter Forsberg wichtige Rollen hatten."
Krupp, der zuvor bei den Buffalo Sabres (1986-1991) und den New York Islanders (1991-1994) aktiv war, blieb bis 1998 in Denver, ehe er zum in Colorado verhassten Rivalen Detroit Red Wings (1998-2002) wechselte und zum Ausklang seiner Karriere 2002/03 noch vier Spiele mit den Atlanta Thrashers absolvierte.

krupp

"An Quebec, Colorado, Buffalo, die Islanders und zuletzt Atlanta habe ich gute Erinnerungen. Das waren schon super Stationen", schwärmt Krupp. "In Detroit nachher sind einfach zu viele Dinge schiefgelaufen. Da war ich nicht mehr gesund. Ich würde alles in allem sagen, dass es keine positive Erfahrung war."
Zu den Mannschaftskollegen des Siegerteams der Avalanche hat Krupp bis heute noch regelmäßigen Kontakt. Erst im Februar dieses Jahres gab es anlässlich des NHL Outdoor Game in Lake Tahoe zwischen den Avalanche und den Vegas Golden Knights eine Zoom-Konferenz des damaligen Teams.
"So etwas bindet ja", ist Krupp überzeugt. "Wenn man zusammen den Stanley Cup holt, dann ist das schon etwas Besonderes und nicht so wie bei Gelegenheitsbekanntschaften, sondern fast wie eine Familienanbindung. Mit allem was dazu gehört."

Unvergessliche Momente: Uwe Krupp

Nach Uwe Krupp, der im Jahr 2002 mit den Red Wings den Cup erneut in die Höhe stemmen durfte, aber aufgrund zu weniger Spiele dessen Name nicht darauf eingraviert wurde, dauerte es bis 2011, ehe mit Verteidiger Dennis Seidenberg (mit den Boston Bruins) ein zweiter Deutscher den Pokal gewann. 2016 und 2017 folgte mit Tom Kühnhackl (Pittsburgh Penguins) der erste Stürmer aus Deutschland und 2018 mit Philipp Grubauer (Washington Capitals) der erste deutsche Torhüter. Aber Krupps Sieg am 10. Juni 1996 war zweifelsohne der Meilenstein schlechthin.