SJS@CGY: Sturm befördert den Puck über die Linie

Hinter Nico Sturm liegt eine frustrierende Saison: Persönlich spielte der 28-jährige Stürmer zwar sein punktemäßig bestes Jahr in der NHL, dafür beendete er seine erste Saison bei den San Jose Sharks als viertschlechtestes Team der Liga. Mit NHL.com/de sprach der gebürtige Augsburger exklusiv über seine neue Rolle in der Bay Arena, viele Emotionen bei der Übergabe des Stanley-Cup-Rings und sein anstehendes WM-Debüt mit der deutschen Nationalmannschaft.

"Nicht mehr wettbewerbsfähig": Sharks erleben frustrierende Saison

"Als Mannschaft war es natürlich eine Saison, die nicht gut war, aber ich wusste schon, als ich hier unterschrieben habe, dass wir im Rebuild sind und sein werden", zieht Sturm ein kritisches Saison-Fazit. "Es waren frustrierende Abende dabei. Wenn ab Dezember schon die Playoff-Plätze außer Reichweite sind, dann fällt es manchmal schon schwer, sich an einem Dienstagabend im März zu motivieren. Man will immer um etwas spielen, am besten um einen Playoff-Platz und nicht um persönliche Verträge oder Punkte. Es ist also schade, wenn irgendwann dieser Team-Aspekt in den Hintergrund rückt, weil man sich individuelle Ziele setzen muss."

Die Sharks schnitten mit einer 22-44-16-Bilanz als viertschlechtestes Team der gesamten NHL ab und verpassten die Playoffs mit 35 Punkten Abstand krachend. Insbesondere seit der Trade-Deadline am 3. März, bei der San Jose wichtige Spieler wie etwa den Schweizer Power Forward Timo Meier (jetzt New Jersey Devils) abgegeben hatte, lief fast gar nichts mehr: Seitdem konnten die Nord-Kalifornier nur noch vier der verbleibenden 20 Spiele gewinnen (4-12-4, 31.).

"Nicht nur der Abgang von Timo hat uns getroffen, sondern auch der von erfahrenen Spielern wie Nick Bonino oder Matt Nieto", erklärt Sturm. "Wir waren zwar auch davor nicht überragend in der Tabelle dagestanden, aber wir konnten zumindest mithalten. Die Spiele waren immer sehr knapp, wir haben 16 Partien in der Overtime oder im Penaltyschießen verloren und dort viele Punkte liegen lassen. Nach der All-Star-Pause und der Trade-Deadline war der Kader dann nicht mehr so, dass wir an jedem Abend wettbewerbsfähig waren, das muss man ganz klar so sagen."

NSH@SJS: Sturm verkürzt Sharks' Rückstand im 2.

Karriere-Jahr: Sturm ist Vorbild und Führungsspieler in San Jose

Persönlich zählte Sturm allerdings zu den wenigen positiven Erscheinungen in einem schweren Jahr: Der am vergangenen Mittwoch 28 Jahre alt gewordene Center stellte mit 14 Toren, 12 Assists und 26 Punkten jeweils persönliche NHL-Rekorde auf.

"Persönlich habe ich es recht gut gemacht, glaube ich. Ich wollte in die Rolle des Drittreihen-Center rutschen, das ist mir auch gelungen. Ich konnte offensiv mehr zeigen, ein paar Tore schießen und habe mit mehr Selbstvertrauen gespielt", erklärt Sturm. "Früher hatte ich nur neun, zehn Minuten Eiszeit, jetzt Spiele ich 14 bis 17 Minuten pro Spiel, darf plötzlich auch im zweiten Powerplay ran. Deshalb ist es nicht so überraschend, dass ich jetzt meine beste Saison gespielt habe, denn das kommt ganz natürlich, wenn du mehr auf dem Eis stehst."

Viele Fans und Experten sahen in Sturm den besten Neuzugang der Saison 2022/23. Auch in den Exit-Gesprächen mit Trainern und dem Management erhielt der Augsburger positive Rückmeldungen.

"Sie finden, dass ich es gut gemacht habe. Ich soll weiter mein Ding machen und weiter so trainieren und aufs Spiel vorbereiten, wie ich es gemacht habe. Dies ist unglaublich wichtig für die Kultur in einer Organisation und war genau das, was hier zuvor gefehlt hatte", verrät Sturm, der bei den Sharks eine Vorbildfunktion und Führungsposition innehatte.

"Den Stanley Cup gewonnen zu haben, hat mein Standing auch verbessert, ich bin hier mehr in eine Führungsrolle geschlüpft und soll diese gerade auch im Hinblick auf die neue Saison ausführen", so Sturm. "Die jungen Spieler brauchen genauso wie ich damals in Minnesota mit den Koivus und Staals Spieler, von denen sie sich abschauen können, wie sie trainieren, wie sie sich vorbereiten und wie sie mit Menschen umgehen. So ein Spieler will ich sein für unsere jungen Spieler, die im Zuge des Umbruchs jetzt nachkommen."

NS 2022

Emotionale Ring-Zeremonie

Einen persönlichen Höhepunkt erlebte Sturm am 7. März 2023 in Denver: Nach dem Auswärtsspiel an seiner alten Wirkungsstätte gegen die Colorado Avalanche erhielt der Stanley Cup Champion von 2022 als letzter Spieler der Meister-Mannschaft seinen Stanley-Cup-Ring.

"Wir hatten richtig auf den Sack bekommen und mit 0:6 verloren", erinnert sich Sturm. "Hinterher bin ich mit meiner Freundin in die Spielerlounge der Avalanche, wo mir dann diese Box mit dem Ring und einem Video überreicht wurde. Ich habe es angeschaut, was eine sehr emotionale Sache war. Ich musste mich ein bisschen zusammenreißen. Es hat noch einmal gezeigt, wie schwer es war und ist, den Stanley Cup zu gewinnen und wie weit wir in San Jose noch davon entfernt sind. Umso mehr weiß ich es wertzuschätzen."

Nico

Länderspiel-Debüt und WM-Premiere für Deutschland

Schier unwirklich ist, dass ein Stanley Cup Champion und langjährigen NHL-Spieler bis vor kurzem noch kein einziges Mal für die deutsche A-Nationalmannschaft auflief. Das änderte sich in der Vorbereitung auf die Eishockey-WM 2023 in Finnland und Riga, als Sturm im Freundschaftsspiel gegen Österreich sein Länderspiel-Debüt feierte.

"Ich hatte das Glück, dass ich in Nordamerika immer in den Playoffs spielen durfte, dadurch hat es einfach nie gepasst. Ich bin sehr froh, dass es jetzt endlich geklappt hat", sagt Sturm. "Ich war nervös. Nicht nur, weil es mein erstes Spiel war, sondern weil ich seit zehn Jahren nicht mehr in Deutschland gespielt hatte. Ich habe natürlich auch den Anspruch als NHL-Spieler, einen Einschlag zu haben und weiß, dass vielleicht das eine oder andere Auge auf mich gerichtet sein wird. Auch die WM wird etwas vollkommen Neues für mich. Ich lasse mich einfach überraschen."

In der NHL ist der 1,91 Meter große und 95 Kilogramm schwere Blondschopf ein hart-arbeitender und physisch starker Zwei-Wege-Stürmer. Eine Rolle, die der Linksschütze auch in der DEB-Auswahl bekleiden wird: "Gerade gegen Mannschaften, die uns spielerisch überlegen sind, ist es wichtig, dass ich meinen Job so mache, wie in der NHL. In Spielen, in denen wir spielerisch besser sein wollen, werde auch ich mehr mit der Scheibe machen müssen."

Mitfiebern bei der Draft-Lotterie und ein langer Sommer in Augsburg

Bevor der DEB-Tross nach Tampere fliegt, begleiten Sturm auch NHL-Themen. So etwa die Draft Lottery am 8. Mai, die darüber entscheiden wird, wie früh die Sharks im NHL Draft 2023 ziehen dürfen.

"Ich werde das Ergebnis sicherlich verfolgen. Keine Frage: Wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können. Deshalb wäre der bestmögliche Spieler in diesem Draft unglaublich für uns. Ich drücke uns die Daumen", sagt Sturm, der auch die Stanley Cup Playoffs aufmerksam verfolgt. "Ich schaue mir immer die Highlights an. Man könnte sagen, dass ich von den Spielen überrascht bin - aber was ist in den Playoffs schon überraschend? Die NHL ist eine Liga, wo es vielleicht nicht so viel ausmacht, wie du in die Playoffs reinkommst, Hauptsache kommst rein, egal ob als Erster oder als Achter. Ich würde mit den Edmonton Oilers als neuen Favoriten gehen. Nachdem Colorado und Boston raus sind, ist die Tür schon ganz weit offen."

In die Playoffs reinkommen ist auch das mittelfristige Ziel in San Jose. Der Weg dahin ist jedoch weit, das weiß auch Sturm: "Wir wollen am Ende der neuen Saison auf jeden Fall das Gefühl haben, dass es in die richtige Richtung gegangen ist und wir weiter sind als im Jahr zuvor."

Ein Sommer in Augsburg

Bis zur neuen Saison 2023/24 wird der Augsburger viel Zeit in seiner Geburtsstadt verbringen können und wohl auch mit seinem Heimatverein Augsburger Panther aufs Eis gehen, die den Klassenerhalt in der DEL dank der Ergebnisse aus der DEL2 unerwartet doch noch sichern konnten.

"Ich bin froh darüber. Natürlich habe ich aus der Ferne gebangt und schon sehr die Daumen gedrückt. Ich war immer im Austausch mit den Menschen im Verein, habe nicht viel Gutes aus dem Umfeld gehört und habe den Eindruck, dass jetzt schon ein Umbruch kommen wird. Das Glück, dass du von anderen Vereinen in der DEL2 in der letzten Sekunde noch einmal rausgeboxt wirst, hast du wahrscheinlich nur einmal. Das wissen auch die Verantwortlichen. Sie werden sicher alles dafür tun, dass es ab der nächsten Saison besser wird."

So oder so wird es für Sturm ein ungewohnt "langer Sommer", denn: "Im Vorjahr habe ich bis zum Schluss in den Stanley Cup Playoffs gespielt, hatte nur sechs Tage Urlaub, eine doppelte Leisten-OP, Reha und bin dadurch recht spät ins Sommertraining eingestiegen. Dieses Jahr habe ich nach der WM zwei Wochen Urlaub, bin hoffentlich gesund und kann gleich voll in die Vorbereitung einsteigen. Von Juni bis August werde ich in Augsburg sein, das ist genug Zeit, um bis Mitte September wieder in Top-Form zu sein."