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Nico Sturm ist ein Führungsspieler bei den San Jose Sharks. Für den deutschen Stürmer ist die kommende Saison 2024/25 eine ganz besondere: Einerseits nimmt der 29-jährige Augsburger eine wichtige Rolle beim Rebuild ein, andererseits geht der Stanley Cup Champion (2022 mit den Colorado Avalanche) in sein letztes Vertragsjahr und will sich entsprechend in Stellung bringen. 

NHL.com/de hat exklusiv mit Sturm über den Rebuild in Nord-Kalifornien, sein intensives Sommertraining und seine Zukunftspläne gesprochen…

Servus Nico! Wie war dein Sommer?

Der Sommer war gut: Nach der WM war ich für zwei Wochen im Urlaub und bin mit Kumpels in die Karibik gefahren. Danach ging es direkt zurück nach Minneapolis, was mein zweites Zuhause ist. Dort habe ich drei Wochen intensiv trainiert. Den Juli habe ich in Augsburg verbracht. Weil es da noch kein Eis gab, habe ich mich dort verstärkt auf das Off-Ice-Training konzentriert. Seit etwa zweieinhalb Wochen bin ich wieder intensiver auf dem Eis. Insgesamt habe ich jetzt zehn Wochen Sommertraining hinter mir. Ich bin top in Form!

Konntest du den kurzen Stopp in Augsburg genießen?

Es ist immer schön, nach Hause zu kommen. Ich versuche, diese Zeit zu nutzen und Spaß zu haben. In der Früh war ich immer im Kraftraum der Panther. Mittags habe ich zu Hause gechillt. Am Abend stand nochmal eine Einheit mit entweder Schuss- oder Stickhandling-Training an. Ich habe sechs von sieben Tagen trainiert. Ab Samstagmittag und am Sonntag hatte ich frei, somit war dann Zeit mit der Familie und Freunden angesagt. Ich konnte mal in die Innenstadt auf ein paar Bierchen und einfach Spaß haben oder habe mich mit Eltern und Großeltern zu Kaffee und Kuchen getroffen.

Wie ist dein Eindruck vom neuen Team der Augsburger Panther?

Ich kann es nur von außen beurteilen. Mit Larry (Sportdirektor Larry Mitchell, d. Aut.) hat der AEV wieder einen Mann mit Renommee, der Mannschaften zusammenstellen kann. Auf dem Papier sieht es erfolgsversprechend aus. Ich denke, dass der Kader im Vorjahr vielleicht schon für die 2. Liga geplant war. Jetzt wird die Erwartungshaltung sicher größer sein. Die Jungs haben wieder Bock, in den Playoffs zu spielen. 

Du selbst gehst jetzt in dein drittes und damit letztes Vertragsjahr bei den Sharks. Ein enorm wichtiges Jahr für dich?

Natürlich! Das gilt für die gesamte Mannschaft nach zwei sehr enttäuschenden Jahren. Wir hoffen, dass der tiefste Punkt des Rebuilds erreicht ist und es nun aufwärts geht. Das wäre auch für mich als Spieler besser: Natürlich schaut jeder auf die Scorerpunkte, wir waren aber gefühlt in jeder Statistik Letzter, da ist es schwer für mich, in der dritten oder vierten Reihe zu punkten und als Scorer zu glänzen. Für mich wird es also eine extrem wichtige Saison. Ich möchte mich positionieren, dass ich entweder hier verlängern oder woanders einen Vertrag bekommen kann.

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Wie liefen denn die bisherigen Gespräche mit Sharks-GM Mike Grier?

Ich glaube schon, dass ich ein großer Teil des Rebuilds hier bin und als Führungsspieler bei der Arbeit auf und neben dem Eis fest eingeplant bin. Wir haben eine junge Mannschaft mit vielen Talenten und Rookies, da braucht man ein paar Säulen mit NHL-Erfahrung. Ich weiß, dass es bei den letzten beiden Trade-Deadlines Interesse von anderen Klubs gab. Die Sharks wollten mich aber nie hergeben. Das weiß ich zu schätzen. Mit Mike hatte ich ein gutes Gespräch am Saisonende. Ich musste ein paar Sachen ansprechen, die die Organisation betreffen. Es gab ja schon ein paar Veränderungen, egal ob es der Trainer- oder Ärzte-Stab war. Ich hoffe, dass man jetzt eine positive Entwicklung sieht.

Wie gehst du mit dieser Ungewissheit um?

Ich werde mich in den nächsten Wochen mit meinem Manager unterhalten, wie wir es angehen. Grundsätzlich bin ich relativ entspannt. Damals in Minnesota bin ich nicht so gut damit umgegangen, weil ich das erste Mal in so einer Situation war. Ich habe zu viel darüber nachgedacht. Jetzt bin ich in einer ganz anderen Situation: Mein Standing ist besser, ich bin älter und weiß, was ich bringe. Ich werde mir also keinen großen Kopf machen. Ich nehme es, wie es kommt. Es gibt auch keine Eile. Ich hatte immer gute und offene Gespräche mit Mike. Wir werden uns sicher irgendwann zusammensetzen. Wenn ich für die Zukunft hier eingeplant bin, wird man sich sicher einigen.

Wo liegen denn deine Prioritäten was Gehalt, Laufzeit und sportliche Perspektive angeht? 

Ich koste nicht die Welt, San Jose hat außerdem viel Gehaltsspielraum. Ich werde jetzt 30 Jahre alt und will noch einmal Playoffs und um den Stanley Cup spielen. Wenn es nicht zu einer Verlängerung kommt, werde ich wohl nach der Trade-Deadline woanders spielen. Kommt San Jose mit einem Drei- oder Vierjahresvertrag, muss ich auch darüber nachdenken. Ich bin nicht mehr der allerjüngste, habe aber noch ein paar gute Jahre und bin top fit. 

Wie zuversichtlich bist du denn, dass die Sharks bald wieder um die Playoffs oder einen Stanley Cup spielen?

Um für einen Stanley Cup zu spielen, dauert es schon relativ lange. Man muss sich nur mal die Colorado Avalanche anschauen, wo es sieben, acht Jahre gedauert hat. Erstmal muss man wieder in die Playoffs kommen, wo du zunächst in der ersten oder zweiten Runde scheitest, irgendwann vielleicht mal ein Finale verlierst. Es könnte so ein Weg sein, wie ihn gerade die Edmonton Oilers durchmachen. Sie werden irgendwann das Ding holen. Mannschaften müssen reifen, Niederlagen verarbeiten und eine Entwicklung durchmachen. Ich glaube, dass wir das Tal durchschritten haben und unsere Kurve jetzt wieder nach oben geht. Letztes Jahr haben wir nur 19 Spiele gewonnen, vielleicht sollte das nächste Zwischenziel sein, nächstes Jahr 30 Spiele zu gewinnen und im Jahr darauf die Playoffs anzugreifen.

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Mit Macklin Celebrini und Sam Dickinson haben die Sharks zwei Top-Talente draften können. Bist du schon mit ihnen in Kontakt getreten?

Ich habe „Mack“ gleich geschrieben, ihn herzlich willkommen geheißen und ihm gesagt, dass wir uns auf ihn freuen und er wichtig für unsere Zukunft ist. Wenn die jungen Spieler nach San Jose kommen, werde ich mal ihnen Abendessen gehen. Sie sollen sich wohlfühlen, selbstbewusst sein, sich nicht zurückhalten und wie auf Eierschalen durch die Arena laufen. Dazu will ich meinen Teil beitragen. Das sind die Spieler, die in den nächsten zehn Jahren unseren Stamm bilden werden.

Überhaupt haben die Sharks einen der spannendsten Talente-Pools in der NHL. Wie siehst du deine Rolle bei der Entwicklung dieser Talente?

Als junger Spieler machst du eine „Honeymoon Phase“ durch. Man ist sehr aufgeregt, alles ist neu. Im Dezember, Januar und Februar kommt dann ein Loch, weil es diese Spieler noch nicht gewohnt sind, 82 Partien zu absolvieren. Wenn diese „Honeymoon Phase“ vorbei ist, muss ich diese Spieler an die Hand nehmen und sagen, dass nicht jedes Workout und jede Extra-Einheit Sinn macht. Es geht auch um Dinge wie Essen oder wann es besser ist, sich aufs Rad zu setzten, um die Beine auszuschütteln. Einen Celebrini muss ich nichts über Schüsse oder Stickhandling beibringen. Es geht eher um Dinge wie Bullys, das Verhalten in Unterzahl und diese erfahrungsbezogenen Werte. 

Ging es dir als junger Spieler damals genauso?

Ich weiß noch genau, wie es für mich als junger Spieler war: Bei den Wild habe ich genau studiert, wie sich Mikko Koivu oder Erik Staal verhalten. Sie waren die beiden Center vor mir und waren ewig in der NHL. Ich habe geschaut: Was machen sie? Wann dehnen sie sich? Wann machen sie Eisbäder? Da gibt es so viele Dinge, die man sich abschauen kann. Ich habe damals alles aufgesaugt. Meine Rolle jetzt wird sein, alle diese Dinge vorzuleben. Ich bin keiner der quasselt, sondern möchte mit gutem Beispiel vorangehen. 

In der letzten Saison hat es wahrscheinlich nur wenig Spaß gemacht. Warum wird es in der kommenden Saison besser?

Grundsätzlich schon deshalb, weil wir neue Trainer und einen neuen Stab haben. In der Vorsaison war kein System zu erkennen, alles sah nach viel Zufall aus. Die Jungs waren in bestimmten Situationen unsicher, was den Aufbau und die Spielzüge angeht. Es wird also ein extrem wichtiges Training Camp für uns, insbesondere, was das Verhalten in der Defensivzone angeht. Das war zuletzt Harakiri. Ich habe kürzlich erst mit Ryan (Trainer Ryan Warsofsky) telefoniert. Er hat gesagt, dass wir jetzt einen ganz anderen Ansatz verfolgen.

Wie siehst du eure Neuverpflichtungen? Auf wen freust du dich am meisten?

Ich glaube, dass wir im Tor mit Mackenzie Blackwood und Vitek Vanecek im Tor solide aufgestellt sind. Vorne haben wir mit Tyler Toffoli einen guten Spieler dazubekommen, der uns wie Celebrini oder Will Smith einen Boost in der Offensive und im Powerplay geben wird. In den Bottom-Six sind wir extrem gut aufgestellt. Mit Barclay Goodrow haben wir einen Veteranen geholt, der schon den Stanley Cup gewonnen hat. Hinzu kommt Ty Dellandrea. Wir sind jetzt runder aufgestellt als in der Vorsaison.

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Viele Experten erwarten, dass du mit Goodrow und Dellandrea eine Reihe bilden wirst. Auf dem Papier wäre das die vielleicht beste vierte Reihe in der NHL…

Wir hätten auf jeden Fall viel Erfahrung. Goody hat zwei Stanley Cups (2020 und 2021 mit dem Tampa Bay Lightning, d. Aut.) gewonnen. Er kann auch als Center auflaufen und Bullys spielen. Ty kenne ich noch nicht persönlich. Er ist ein Spieler, der in Dallas keine Chance bekommen hat. Er ist ein Rechtsschütze, die immer wichtig sind. Überhaupt hätte ich mal wieder Lust, konstant mit zwei festen Reihenkollegen zusammenzuspielen. Letztes Jahr habe ich gefühlt jede Woche mit jemand anderen gespielt und trainiert. Da ist es schwer, Chemie aufzubauen. Ich würde mir wünschen, dass es da wieder mehr Konstanz geben wird.

Du hast letzte Saison auch mal in den Top 6 und im Powerplay gespielt. Wo siehst du dich in der kommenden Spielzeit?

(Lacht) Ich habe in den letzten Jahren immer in der vierten Reihe angefangen und mich dann in die dritte Reihe hochgearbeitet. Das kann dieses Jahr wieder so sein. Ich kenne meine Rolle: Ich bin ein Bottom-Six-Stürmer, der zu wichtigen Faceoffs, in Unterzahl, im 5-gegen-6 und vielleicht mal im Powerplay vor dem gegnerischen Tor rausgeschickt wird. Ich arbeite viel an Abfälschern und denke, dass ich ganz gut darin bin. Bei meiner Statur kann ich gut skaten und forechecken. Es gibt nicht so viele Spieler, die das gut können. So, wie ich mich vorbereitet habe, kann ich selbstbewusst sein.

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Achillesferse könnte bei den Sharks erneut die Defensive sein. Siehst du hier die größten Probleme?

Alle Verteidiger sind der gleiche Spielertyp, die in anderen Mannschaften im zweiten oder dritten Paar spielen würden. Es sind mehr Spieler für Unterzahl, die hart und giftig spielen. Was uns fehlt, wäre ein spielmachender Blueliner, ein Powerplay-Verteidiger. Solche Verteidiger bekommt man durch die Free Agency oder Trades fast nicht mehr, weil sie zu teuer sind. Sie muss man sich beim Draft holen.

Letztes Jahr ging der Start komplett in die Hose (0-10-1). Diesmal scheint das Auftaktprogramm leichter zu sein. Was habt ihr euch vorgenommen?

Wir sind zwei Jahre in Folge schlecht gestartet. Der erste Sieg wird wichtig sein. Gerade für die jüngeren Spieler. Die Erwartungshaltung auf Jungs wie Celebrini wird hoch und der Druck entsprechend groß sein. Hast du als Team von den ersten zehn Spielen schon ein paar gewonnen, setzt auch bei ihnen Ruhe ein. Wir wollen nicht mehr das Gespött der Liga sein. Da habe ich keinen Bock mehr drauf. Wir wollen so schnell wie möglich Punkte einfahren.

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