Unterzahl

Stanley Cup Playoffs ohne die Pittsburgh Penguins? Leser, die heute 16 Jahre oder jünger sind, haben diesen Fall noch nie erlebt. Was über viele Jahre als unvorstellbar galt, ist nun Realität geworden: Weil die New York Islanders am Mittwochabend mit 4:2 gegen die Montreal Canadiens gewannen, haben die Penguins keine Chance mehr auf einen Playoff-Platz und sind auch rechnerisch eliminiert. NHL.com/de ordnet das Beben in Pittsburgh ein.

Das Ende einer Dynastie
Die Penguins sind das letzte der 16 Teams, das aus dem Playoff-Rennen 2023 eliminiert wurde. Damit ist mehr als nur eine Serie gerissen: Es ist das Ende einer Dynastie! 16 Jahre in Folge hatte sich Pittsburgh für die Playoffs qualifiziert, stand in dieser Zeit viermal im Stanley Cup Finale und gewann dreimal den Stanley Cup (2009: 4:3 gegen die Detroit Red Wings; 2016: 4:2 gegen die San Jose Sharks; 2017: 4:2 gegen die Nashville Predators).

PIT@DET: Crosby trifft im Powerplay und verbucht 1.50

Langjährige Routiniers wie Verteidiger Kris Letang (35) und Mittelstürmer Evgeni Malkin (36) spielten in ihrer Zeit bei den Penguins ausnahmslos immer in den Playoffs. Beim letzten Mal, als Pittsburgh nach der regulären Saison schon Sommerurlaub hatte, war der heutige Kapitän und Franchise-Player Sidney Crosby 18 Jahre alt. Das Ausnahme-Talent wurde im Jahr 2005 als First-Overall-Pick von den Penguins gedraftet und war das Gesicht des Aufschwungs in der "Stahlstadt". Gleich in seiner ersten NHL-Saison 2005/06 markierte Crosby 102 Scorerpunkte (39-63-102) und führte Pittsburgh ab 2006/07 konsequent und zuverlässig Jahr für Jahr in die Playoffs.
Heute ist Crosby 35 Jahre alt und muss nach 15 Playoff-Runs, drei Stanley Cup Siegen und zahlreichen individuellen Auszeichnungen (2x Conn Smythe Trophy, 2x Hart Trophy, 3x Ted Lindsay Award, 2x Maurice Richard Trophy, 2x Art Ross Trophy) plötzlich wieder zuschauen, wenn in der NHL die schönste Jahreszeit beginnt.
Zu viel Mittelmaß als Hauptgrund für das Aus
Bei der Spurensuche nach den Gründen für das Aus sticht nicht ein einzelner Grund ins Auge. Es ist vielmehr Mittelmaß in fast allen Kategorien, das dafür gesorgt hat, dass es die Penguins nicht über den Strich geschafft haben.
Die Offensive mit 3,2 Tore/Spiel (16.), die Defensive mit 3,21 Gegentore/Spiel (19.), die Special Teams mit 21,2 Prozent Erfolgsquote im Powerplay (17.) und 79,2 Prozent im Penalty Killing (16.), die Disziplin mit 697 Strafminuten (14.) und die Bereitschaft, 1211 Schüsse zu blocken (15.), lagen allesamt im Durchschnitt.
Wirklich herausragend stark war Pittsburgh eigentlich nur bei der Anzahl der ausgeteilten Checks: Mit 2294 Hits (28 Hits/Spiel) waren die Penguins sogar das checkfreudigste Team in der NHL (1.).

CHI 5, PIT 2

Indizien für ein Aus nach der Hauptrunde finden sich beim Thema Konstanz. Von Anfang Oktober bis Ende November sowie von Ende Dezember bis Anfang Januar hatte Pittsburgh Niederlagenserie von sieben bzw. sechs Spielen. Auch gingen die Penguins teilweise schlecht mit Vorsprüngen um: Trotz einer Führung nach zwei Dritteln konnten die Stahlstädter am Ende nur 75,7 Prozent dieser Spiele auch gewinnen (29.). Dies ist auch auf die schlechte Tordifferenz im dritten Drittel (89:100) zurückzuführen. Auch nach der regulären Spielzeit hatten die Penguins Probleme und konnten nur 47,1 Prozent der Spiele nach 60 Minuten noch gewinnen (8-9). In engen Spielen, die mit einem Tor Unterschied entschieden wurden, hatte Pittsburgh nur eine 14-8-10-Ausbeute.
Beim Blick auf die individuellen Statistiken fällt auf, dass es hinter den Superstars wie Crosby (33-58-91), Malkin (27-56-83) und Jake Guentzel (35-37-72) an Secondary Scoring, also an Torgefahr aus den hinteren Reihen, fehlte. Nur sechs Spieler erzielten 20 Tore oder mehr, nur vier Spieler sammelten mindestens 50 Scorerpunkte.
Der älteste NHL-Kader braucht neue Talente
Mit einem Altersschnitt von 30,12 Jahren stellten die Penguins das älteste aller 32 NHL-Teams. Von den vier eingesetzten Rookies in dieser Saison erhielt eigentlich nur Verteidiger Pierre-Olivier Joseph regelmäßig Spielzeit (23, 74 Spiele, 5-16-21). Sam Poulin (22, drei Spiele, 0-1-1), Jonathan Gruden (22, drei Spiele, 0-0-0) und Filip Hallander (22, zwei Spiele, 0-0-0) kamen nur punktuell zum Zuge. Ein Block an U23-Spielern fehlte also mehr oder weniger komplett. Dies ist kein gutes Zeichen für einen schnellen Umbruch. Es droht ein kompletter Rebuild.
Ein interessanter Mann für die Zukunft könnte der finnische Stürmer Valtteri Puustinen (23) sein, der beim Farmteam Wilkes-Barre/Scranton Penguins der Top-Scorer (70 AHL-Spiele, 23-33-56) war. Auch Abwehrmann Ty Smith (23), der in dieser Saison sowohl in der NHL (neun Spiele, 1-3-4) als auch in der AHL (37 Spiele, 6-15-21) zum Einsatz kam, könnte Pittsburghs Verteidigung verjüngen.

Valtteri Puustinen

Durch die vielen Playoff-Teilnahmen in den letzten anderthalb Dekaden kamen in der Stahlstadt zu wenige hochkarätige Talente nach. Eine positive Ausnahme: Verteidiger Owen Pickering (19, Draft 2022, 1. Runde, 21. Stelle) ist ein vielversprechender Blueliner, der als Kapitän der Swift Current Broncos in der WHL fleißig punktete (61 Spiele, 9-36-45) und auch schon in der AHL eingesetzt wurde (6 Spiele, 0-0-0).
Ansonsten haben die Penguins zwei spannende Torwart-Talente in ihrer Pipeline: Finne Joel Blomqvist (21, Draft 2020, 2. Runde, 52. Stelle), der die vergangene Saison in der heimischen Liiga bei Kärpät Oulu spielte, und Russe Sergei Murashkov (19, Draft 2022, 4. Runde, 118. Stelle), der sein Debüt für Lokomotive Yaroslavl in der KHL gab.
Frisches Blut auf der Torhüter-Position stünde Pittsburgh für die Zukunft gut zu Gesicht. immerhin fehlte seit dem Abgang von Marc-Andre Fleury im Expansion Draft der Vegas Golden Knights im Jahr 2017 ein außergewöhnlicher Elite-Torwart. Auch in diesem Bereich herrschte in den letzten Jahren nur Mittelmaß - ein Sinnbild für das Ende einer Dynastie in Steel City.